Freitag, 29. März 2013

SICHTWECHSEL



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pSST! Leise! Ausdruckslos leistete sie Gehorsam; noch besser: sie verschwand aus dem Raum. Wenn Raum und Zeit beeindrucken konnten, war sie naiv und unbeeindruckt. Nur kurz dachte sie „THE PRESENT IS PAST“, dann setzte sie sich im Flur auf den Boden. Er glänzte sauber, eine Putzkolonne war noch eben unterwegs, es war ja auch schon längst Feierabend. Sie konnte ihre ehrgeizige Freundin nicht verstehen, sie selbst, als Kritikerin der Postmoderne, besaß einen solchen Ehrgeiz nicht. Dafür war ihr der Geiz nicht kostbar genug. Es nervte sie wie ein Jeder sich profilieren wollte; diese andauernde Zurschaustellung, diese permanente Präsenz. Als ob sich irgendetwas ändern würde, bei dem Geschwafel. Am liebsten hätte Sie laut aufgeschrien, weil es lustig gewesen wäre. Um die bestehende Ordnung auseinanderzureißen, um zu provozieren. Aber wie gesagt, der Mittelpunkt war nicht ihr Ding. Sie riss eine Seite Papier aus ihrem Block und hinterließ eine Nachricht, die sie nicht missverstehen konnte: DU HAST SCHON LÄNGST VERLOREN.
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 pSST! Leise! sagte sie und wollte fast sagen: Passt auf, wenn ihr passiv bleibt. Die meisten Leute wollen sich zurücklehnen und es sich bequem machen. Aber ihr könnt euch auch so weit zurücklehnen, mit der Absicht es euch bequem zu machen, dass ihr schließlich auf den Boden fällt.[1] Es war ihr nicht verständlich, wie man nur so gleichgültig sein konnte. Der Raum war überfüllt, da waren Menschen die ihr lauschten, die ihr zuhörten. Wie konnte man bloß diese Möglichkeit nicht wahrnehmen, andere für seine Ideen zu motivieren, für sich zu gewinnen? Sie selbst, als Kritikerin der Postmoderne, besaß eine solche Gleichgültigkeit nicht. Dafür war ihr die Gleichmacherei nicht kostbar genug. Es nervte sie das oberste Prinzip des Relativismus, nachdem alles Nichts ist und eigentlich sinnlos. Dieser Relativismus wird so fanatisch angewandt, dass er sich selbst zu widersprechen beginnt - Eine absolute, totalitäre Weltsicht, in der jede Wahrheit zur Lüge wird. Am liebsten wäre sie verstummt, um zu sehen wie die anderen reagieren. Zu sehen, was es bedeutet, wenn sich nichts bewegt. Wenn alle aufgeben und so tun als, ob die Welt so in Ordnung wäre. Aber wie gesagt, die Passivität lag ihr nicht. Sie machte eine Handbewegung, hob ihr Bild nach oben und signalisierte damit ein Zeichen, das sie nicht missverstehen konnte: ICH HABE NICHTS ZU VERLIEREN.




[1] Ähnliches sagte bereits Alia Hogben

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