Mein Dozent rief mich beim Namen und ich ignorierte ihn. Er wusste wie ich heiße, er konnte sich meinen Namen merken, obwohl wir Dutzende waren. Ich wusste nicht warum. Er sah mich an und ich tat so, als ob ich ihn nicht sehen würde. Ich tat so, als ob ich Ihn nicht sehen würde, heißt zugleich, dass ich so aussah, als ob ich ihn nicht gehört hätte und es funktioniert. Witzig, nicht? Was meinen Sie ist in diesen Zeiten wichtiger, der Vor-oder der Nachname? Ich glaube ich bin ein Kontinuum, denn andauernd werde ich mit dem Nachnamen gerufen. Ich repräsentiere etwas, eine Idee, eine Geschichte, ein Familienunternehmen, irgendwas; egal. Mit dem Vornamen präsentiere ich mich. Ich. Mich. Allein. Unter Dutzenden.
Er wollte, wenn er könnte, Ignoranz in meinen Augen sehen,
aber er sah sie nicht. Er sah Einkehr und Ehrlichkeit. Soll die Welt mich in
sich aufsogen, ich bin nicht für den Mittelpunkt geboren. Sie wissen, dass ich das nicht kann, habe ich
gesagt. Betrügen Sie mich nicht. Aber ich kann das nicht. Alle wissen, dass du es
kannst, warum leugnest du es?
Weil ich es nicht bin, die es kann. Ich sehe mich nicht.
Als ich zuhause war, betrachtete ich die Verschnitte. Die
Gesichter sprangen aus den Bildern. Begegnungen, sie sind in mir und ich sah
sie um mich herum- es gibt sie nicht, die geschlossene Gesellschaft. Man kann
nicht nicht kommunizieren. Man kann
sich nicht stillschweigend abschotten, freiwillig, unfreiwillig; man kann das
nicht, wenn man sich begegnet und wer tut das nicht? Die Anwesenheit des
Körpers allein spricht und ich spreche allein deswegen viel zu viel, ohne es zu
wollen. Irgendwann konnte ich mich nicht mehr verstecken, sie haben mich
gesehen. Das Geheimnis, es ist enthüllt.
Nichts kränkt mehr als ein enthülltes Geheimnis. Es begann in den
Fußgängerzonen, morgens. Wenn die Sonne aufging habe ich die Körper ausgemalt.
Mit schwarzem Spray. Sie standen zu sehr im Mittelpunkt, ich war sehr darauf
bedacht niemanden zu verletzen, aber sie taten es selbst. Mit diesen Bildern.
Wer sich selbst leugnet, leugnet irgendwann Begegnungen.
Es hieß, eine Kunststudentin mache die Gegend unsicher.
Gelogen. Ich bin keine Kunststudentin, ich höre Lesungen über
die Poesie der Sinnlichkeit, aber ich meide diese Kunst. Diese Kunst sich zu
verlieren, diese Kunst, alles als absolut zu sehen, bis man irgendwann nicht
mehr weiß, was das eigentlich ist, was man da sieht. Inszeniert. Inszeniert und
der Drang sich selbst zu inszenieren; wir sehen abgehakte Gesichter. Wir nehmen
uns nicht mehr wahr, obwohl wir uns wahrnehmen. Begegnungen im Stillstand.
Es begann mit Fußgängerzonen und ging weiter mit
Einkaufszentren, Parkplätzen, Kneipen, Gefängnisanstalten, Nachtclubs, Hotels,
Apotheken, Irrenanstalten und
Striptease-Bars.
Es begann mit Fußgängerzonen und ging weiter mit
Einwegtellern, Plastiktüten, Klopapierrollen, Fernseher, Radios, Wecker,
Billigt-Shirts und Radiergummis.
Ich male sie alle aus, bis das Gesicht übrig bleibt oder
nicht übrig bleibt, denn was ist denn wichtiger als sein Gesicht zu wahren?
Ich verstehe nicht wer mich gesehen haben könnte, ich war
mucksmäuschenstill, bewegungslos, diskret, verborgen. Ich habe Gesichter
eingeritzt, gemalt, gestrichen, gesprayt, poliert, habe sie alle wiedergeboren
und vernichtet.
Ich habe geschrieben, Wörter, untrennbar im Wortlaut, im
Klang so deutlich, so ungekünstelt, wir der erste Ton der Welt.
Es hieß eine Künstlerin collagiert die Welt mit ihren dunklen
Streichungen und bunten Worteinschüben; Begegnungen die gefehlt haben,
Begegnungen die wir alle kannten, aber für verloren geglaubt hielten.
Wenn du etwas willst, mach mich zum Feind und hol es dir. Hol
es dir und MACH MICH;
DENN ICH WERDE GEMACHT, WENN ICH ANDEREN DAS MACHEN
ÜBERLASSE.
Dass sie irgendwann meinen Namen kennen würden ist Tragik.
Ich höre nicht auf diesen Namen, denn sie haben ihn
auswendiggelernt.
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