Dienstag, 9. April 2013

Zur Wahrnehmung der Geschlechter in der Postmoderne

Ein Kommentar zur Sexismus-Debatte aus muslimischer Perspektive

„Bon Jovi: Ach, jeder Blick von einem Mann ist doch sexuell geprägt. Ich denke, das ist instinktiv so. Und er ist immer beurteilend. Man ist zu kurz, zu lang, zu fett, zu dünn, sieht zu alt aus oder einfach nur großartig. Die Voreingenommenheit ist Teil unserer Kultur geworden. Das ist doch menschlich.“[1]


Betrachten wir Jovis Aussage – ohne den vermeintlich sexuell geprägten Blick des Mannes zu berücksichtigen- bleibt die Frage offen, inwiefern es legitim ist eine Person äußerlich zu bewerten. Mit der Sexismus-Debatte einher geht das Phänomen, dass der Mensch in der Postmoderne sich permanent selbst inszeniert und dafür Anerkennung wünscht.


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Ein wie auch immer gearteter Narzissmus fordert die Gemüter, die Schere der gewünschten Selbst-und Fremdwahrnehmung eines Subjektes klafft immer weiter auseinander. Interessant ist dabei die Beobachtung, dass der Mensch durch die Bewertung der Kleidung des Anderen vermeintliche soziale Klassenunterschiede konstruiert und oft vorschnell ein Urteil über die Persönlichkeit des Anderen bildet.[2] Dieses Urteil kann das Bewusstsein und Denken des Menschen so stark beeinflussen, dass sogar die mit der Kleidung einer fremden Person verbundenen geistigen Fähigkeiten allein durch das Tragen derselben existent und entwickelt werden.[3] Dabei kommt es bisweilen zu Symbolzuschreibungen: Bestimmte Kleidungsstücke und äußerliche Merkmale transponieren eine Sprache der self-affection [4]; einer extremen Selbstdarstellung, die dazu führt, dass Frauen oder Männer als unauthentisch, fremdbestimmt und egoistisch wahrgenommen werden.


Diese Zurschaustellung des Selbst und die Suche nach der Bestätigung in der Gesellschaft wird in allen Religionen, so auch im Islam, problematisiert. Der Mensch solle eine innere Demut und Bescheidenheit erlangen, in dem er gegen sein Nafs [5], zu Deutsch: Ego, kämpft. Dabei soll der Mensch die Bestätigung Gottes suchen, der, wie es in einem Prophetenausspruch heißt, nicht auf die Körper und Formen schaut, sondern auf die Herzen.[6]





[1] Vgl. Frankfurter Rundschau vom 7.März: http://www.fr-online.de/leute/bon-jovi--tot-zu-sein--war-ziemlich-cool-,9548600,22024220.html

[2] Vgl. „Kleider schaffen Ordnung. Regeln und Mythen jugendlicher Selbst-Präsentation“: >http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1413/2905<, Stand (04.04.12013).

[3] Vgl. „Kleider machen Leute – Unsere Kleidung beeinflusst unser Denken“: >http://www.alltagsforschung.de/kleider-machen-leute-unsere-kleidung-beeinflusst-unser-denken/ <, Stand (04.04.12013)

[4] Vgl. Zahavi, Dan: Self-awareness and alterity- a phenomenological investigation, Northwestern University Press, 1999, S.110.

[5] Vgl. Robert Frager: Heart, Self, & Soul; The Sufi Psychology of Growth, Balance, and Harmony.


[6] Sahīh Muslim, Kitāb al-Birr, 33; Sunan Ibn Mājah, Kitāb al-Zuhd, 9.


2 Kommentare:

  1. Wie wahr! Finde den Text super! ;)
    Hast es auf den Punkt gebracht: 'Ein wie auch immer gearteter Narzissmus fordert die Gemüter, die Schere der gewünschten Selbst-und Fremdwahrnehmung eines Subjektes klafft immer weiter auseinander.'

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  2. :-) Danke Liebes..wünschte das Thema würde viel stärker aus dieser Sicht betrachtet werden...Da muss sich was Grundlegendes im Bewusstsein vieler Menschen ändern...

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