Freitag, 6. März 2015

Geste

sie hing da/ wie etwas reines/ und vertrautes/ unerträglich wertvolles/ etwas/ das gesehen werden wollte/ und bemerkt/ wie ein Geschenk/ in Liebe überreicht/ sie hatte/ verschiedene Namen/ noch mehr Farben/ gelb/ Tagetes/ weiß/ Jasmin/ purpurrot/ Rose/ sie wollte/ ihren Trägern die Macht geben/ zu verändern/ zu färben/ wie Kumkum/ Sindhoor/ Gelbwurz/ einverleiben./ sie wollte/ keine Sprache sprechen/ die keiner versteht/ aber sie schrie nicht/ selten/ sie wollte nicht verstellt/ sondern überbracht werden/ nicht gesondert/ sondern gesegnet/ nicht zerpflückt/ sondern getragen./ Jeder der nach ihr rief/ hörte ihren Namensgeber/ der sie/ in kühles Wasser/ eingetaucht/ wie die Ästelungen/ an einem Zweig/ berührte/ und reinigte./ sie konnte nichts beenden/ nichts beginnen/ außer dem was bereits gesagt worden war./ sie wollte ewig sich verlieren/ in den Träger/ der Blumenkette,/ in die Geste, die sie war.

Dienstag, 27. Januar 2015

„SOS oder so!“


Und dann sitzt du da/ versetzungsgefährdet/ vor diesem Haufen Arbeit/ vor diesem Dutzend konserviertem Tun/ Fisch/ Fies ist das!/  So so so fies/“SOS oder so!“/ Versendest du das/ Als Tweet für den Sitznachbar/ Er soll dich hier raus holen!/ Aus dem Text/  Auß er dem Rand und Band/ Aus der Bibliothek/(Sonst fallen noch Mahngebühren an)/ Nix da!/ Nix da!/Mahnt er dich an/ Setz dich!/ Du bist heut/ Noch lang nicht fertig/ Brust raus, Frust rein!/ Kopf hoch, Magen klein!/ Du musst/musst/ darfst/ neue Massstäbe setzen/ Halt dich/ Das Recht hast du/ Neu zu schreiben/ aber bitte an die Rechtschreibregeln!/ Maß = Setzen!/ Dein Sitznachbar tuschelt/ Der Tweet wurde retweetet/So oder so/ Das Leben wird heiter/ Schreit er/ Bist du bereit/ Für noch mehr Arbeit?/ Breit, brei und noch bereiter!/ Wie auch immer /wir bleiben uns treu/ Du suchst und suchst/ die richtigen Ziffern/ die richtigen Worte/ und den richtigen Betreuer/ Leitung besetzt/ Mailbox/ Grund sei/ das einhundertste Essay/ Ganz oben klebt der Zettel/ Mit der Message: Bin auf Massage/ kann nix dafür/ Das Burö liegt in Fetzen!/Wir drucken dir den Daumen/ aber bitte nicht verpetzen!/ So, so sagst du dir/ Dann bist du wohl mit diesem Haufen Arbeit/ allein/ Gelassen/ Was solls/ Schön die Sitzbank drücken/ Und vorher ein paar Zeilen/ "Aus dir kann nix mehr werden"/ überbrücken/ Never/ for/ ever/ Du bist eh schon/ fix und fertig/ (Also doch noch was)/ geworden.



 

Samstag, 24. Januar 2015

Mehr Gefühl, bitte! - Zur Frage, ob wir Deutschen zu abgeklärt sind

Den Deutschen wird ja nachgesagt, dass sie ihre Gefühle nicht so offenkundig zeigen, wie Angehörige anderer Nationen. Als ich im Regal eine Ausgabe von Roland Barthes „Fragmente einer Sprache der Liebe“  entdeckte, wurde mir nach wenigen Seiten schummerig zumute. Ich spürte ein leichtes Unbehagen. Irgendwie scheint es mir, dass wir immer weniger mit der Sprache der Liebe anfangen können. Wo ist unser heiß geliebter Goethe hin? Und wo sind Hölderlin und Rainer-Maria Rilke verborgen? All die Liebesbekundungen, der Herzschmerz, die obsessiven Gefühlsausbrüchen, die wir ernst nehmen wollen. Sie sind weg. Das Land der Dichter und Denker scheint immer weniger Goethes zu kennen und immer mehr Charlies. Gefühle werden zwar artikuliert und inszeniert, aber erst derjenige, der sich über die Gefühle anderer lustig machen kann, ist ein Held? Man kann sich zwar einen sensiblen, leidenschaftlichen, intellektuellen Künstler in einer Buchhandlung oder in einem Literaturcafe vorstellen, aber nicht in der Mitte der Gesellschaft, nicht als Vorbild für die Masse. Also so jemanden, auf den das ganze Land stolz sein kann, der nicht als bloßer Showmaster gilt, sondern als deutsche Identifikationsfigur, als Volksheld. Der Glaube an „Das Wahre, Schöne, Gute“, der heute noch als Leitspruch über der Alten Oper in Frankfurt eingemeißelt ist, gilt als Denkmal vergangener Zeiten. Das gibt es nicht mehr. Gefühle sollen vernünftig klingen. Das romantischste, was ich heute gelesen habe, kam von einem britischen Jungen. Auf die Frage einer Mitschülerin, ob er sie möge, antwortete er:
"Ich weiß nicht. Ich kenne mich selber noch nicht. Außerdem stehe ich zu Hause gerade auch ziemlich unter Stress, deshalb kann ich es wirklich nicht sagen. P.S.: Man kennt sich selber nicht, bis man 18 ist."
So viel Selbstkritik, so viel Ehrlichkeit: Das könnte ein Deutscher gewesen sein! Aber an solchen Tagen wie diesen, wo es draußen schneit und mir mit einer heißen Tasse Schokolade ganz warm ums Herz wird, frage ich mich ob wir Deutschen wirklich so gefühlskalt und abgeklärt sind, wie ich fürchte. Vielleicht kann Barthes mir ja die Antwort geben. Zumindest schneit es auch noch hier bei uns in Deutschland. Das ist doch mal was ;-).



Freitag, 16. Januar 2015

Stelle die Fragen

Stelle die Fragen
Fragen nach dem Wind
Atme den Nebel ein
Um ihn für immer
Verblassen zu lassen
Spring in das kalte Wasser
Und lerne tiefseetauchen 
Entdeckung im Vorübergehen
Hochgebauter Burgpaläste
Ziehe in die fremde Stadt
Voll verdorbener Vogelbeeren
Um gegen ihr innewohnendes Gift
Immun zu werden
Vergiss deinen Schweiß der Nacht
Hinter Zäunen aus Stahl
Schaue aus dem Fenster
Wo lauter Felder grün erblühen
Beziehe die Betten neu
Trage deinen Namen
Als Mosaikgestein auf der Brust
Zerpflücke die Sträuche
Lass den klebrigen, zähen
Leim auf der Mauer liegen
Kenne Seine stärksten Namen
Und erlebe das Ziel neu
Ertrage die Melodien
Auch wenn es weh tut
Spüre die ungewohnte Weite
Verschiebe die Grenzen
Koste frische Nahrung im Gebet 
Wo Liebe den Horizont belebt
Es ist nie zu spät
Die Richtung zu halten
Es ist nie zu spät
Den Weg zu beweisen
Stelle die Fragen
Nach dem Wind


Mittwoch, 12. November 2014

Unter Freunden

Ich weiß es noch ziemlich genau
Vor eins, zwei Jahren - wir standen
An irgendeinem Bahnhof, (ich wette Siegen,
Über das wir immer Lieder singen)
Als du unerwartet verkündetest:
„Wir werden immer Freunde bleiben.“
Ich weiß es noch ziemlich genau,
Denn bevor ich dir glauben konnte,
Fügtest du hinzu: „Weißt du wieso?“
Ich bemerkte dein Grinsen und wusste
Sofort, egal was auch immer jetzt kommt,
Ich kann es nur toternst nehmen,
(Du bist total durch, nur mal so) und erwiderte:
„Warum?“ Mit einem hoffnungsvollen-
Vielleicht-kommt-da-ja-doch-noch-was-Unausgesprochenes-
Aus-dem-letzten-Kämmerchen-Ihres-Herzens


„Weil…: du weißt zu viel über mich“

Das hättest du auf einer Postkarte gelesen,
Und wenn du mir etwas mitgebracht hättest
Dann das. Diese Karte. Du wolltest sagen:
Du musst mit mir befreundet bleiben, damit ich dafür
Sorgen kann, dass du bloß nichts über mich ausplapperst.
Ich musste lachen, das geht gar nicht anders,
Mit dir zusammen. Denn sogar als man dir anvertraute
„Ich hab das Gefühl ich würd mein Leben lang neben mir stehen“
Blitzte bei dir der Schelm auf. Nach dem Motto:
„Na und? Und ich stehe hinter dir.“
So war das immer, ernst und ernster,
Direkt und direkter, bis es nicht mehr geht.
So sind wir. 

Doch weil ich diesen Spruch nicht so leicht
Auf mich sitzen lassen werde,
(Du weißt, es macht glücklicher, andere glücklich zu machen,
Anstatt von anderen glücklich gemacht zu werden, was auch immer
Das bedeutet, es macht mich jedenfalls überglücklich), 
Antworte ich dir heute in großem Stil,
Mit diesem ungereimt schlechten Gedicht, leider ohne Karte.
„Wir werden immer Freunde bleiben.“
Soweit, so gut, ganz altbekannt, noch nichts,
Was dich in Erstaunen versetzen könnte. Aber wart´s nur ab!
„Weißt du wieso?“ Wieso bloß? Wieso bloß?
Was will die nur von mir? Was hat sie jetzt schon wieder angestellt?
Wann lässt sie mich in Ruh`?
Ich weiß es genau, du wirst jetzt große Augen machen, gespannt auf
Mich blicken, deine Zähne zusammen beißen,
Und mein bezauberndes Geheimnis abwarten,
Das dir die Sprache verschlagen wird, dir die Sprache verschlagen muss!
Soll ich es dir wirklich sagen?

„Weil…: ich zu viel von dir weiß." 

Wie das soll´s gewesen sein?
Ja, ob du´s glaubst oder nicht. 
Weil ich so viel von dir weiß, weiß ich nämlich,
Dass ich dich immer liebe- Und was das Beste daran ist:
Ich möchte noch viel mehr von dir wissen :-)
So geht das. Ich glaube, ich habe gesiegt. Ganz ohne Siegen.
Oder, wie soll ich es adretter formulieren:
Das Mädchen hat Blut geleckt.
Pass bloß auf, was du machst. Sie verzehrt es.

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Ratlos

Von allem was du in der Welt gesehen hast 
Wird dir dieses Rätsel am schwersten fallen
Du kannst Stunden daran sitzen
Tage, Wochen oder auch Jahrzehnte lang
Irgendwann wirst du dir eingestehen müssen
Dass du machen kannst, was du willst
Und genauso ratlos bist, wie am Anfang


Es ist verwunderlich
Wer Er ist


Dann, wenn du nach Seinem Namen fragst
Antwortet Er: Ich habe nur an dich gedacht


Es ist verwunderlich
Wie Er ist


Dann, wenn du nichts mehr sehen willst
Zeigt Er dir, was du nicht erträumen kannst


Verwunderlich
Woher Er kommt


Dann, wenn du dich selbst nicht lieben willst
Liebt Er dich mehr, als du verstehen kannst


Verwunderlich
Wie Er spricht

Dann, wenn dir die letzten Worte fehlen
Sagt Er dir mehr, als du erflehen kannst


Verwunderlich
Wohin Er geht


Erst dann, wenn du ganz verschwunden bist
Erwartet Er dich in Seiner Gegenwart


Diese Liebe wirst du nie verstehen
Denn sie ist nicht
Von dieser Welt


Samstag, 27. September 2014

Ausgekastet

Wenn du schon immer mal/ Wissen wolltest/Wie das ist/ Mit dem Gesicht/ Auf ewig/ Zur Wand gewandt/ Zu leben/ Caste ich/ Im Namen aller Kastenlosen/ Hindu-Dalits/ Adivasis/ Unberührbaren/ Kostenlosen/ Obdachlosen/ Außenseiter/ Überflüssigen/ Frauen, Kindern, Indern/ Dicht von dieser Welt/ Dich!/ Auf los/ geht’s los/ geloost/ Dreh dich um/ Und bleib sitzen/ Zum 21 x Hundert/ Und jetzt spüre/ Die gütigen Blicke/ Der Gleichgültigkeit/ Wie sie großzügig / Von Wand zu Wand/ Ziehen/ Von hinten/ von vorne/ von unten/ von oben/ Ausgemustert/ Mittellos/ Ausnahme ausgenommen/ Die Kamera läuft/ Moderne Lichtverhältnisse/ Einstellung Progrom Filter/ Erase/ Ekel/ Reset/ Rechtlos/ Rewind/ Regel ist aufgenommen/ Schlusslicht/ Rücksichts-/ Loses Los gezogen/  Das wars für dich/ Zisch/Dich/ Zisch/ Ab da kann Mann/ Nichts mehr machen/ Du bleibst nicht aufnahmefähig/ Wie ein vergilbter alter Brief/ In einem verlassenen Haus/ Mit einer Botschaft/ Die niemand liest/ Sie spucken auf dich/ Dieweil du überlegst/ Welchen Filmriss/ Du heute abspulst/ Du wünschst dir/ Du wärst wer/ Oder ein wenig/ Anders/ Hauptsache abseits/ Von dieser Wand/ Denn alles ist besser/ Als im Wissen zu leben/ Sie verwandeln dich/ Noch heute/ Hand in Hand/ Für immer und für wenig/ In das Abbild/ Dieser Wand

Dieses Gedicht entstand im Kontext der Tagung zu “Gender, Gewalt, Gesellschaft” in Indien vom 25. bis 27. September in Bad Boll, um auf die Doppeldiskriminierung und schlimme Situation der kastenlosen Frauen und Mädchen aufmerksam zu machen. Frauenverachtende Traditionen werden auch im Islam strengstens untersagt, so heißt es im Heiligen Quran: "Und wenn einem von ihnen die Nachricht von (der Geburt) einer Tochter gebracht wird, so verfinstert sich sein Gesicht, indes er den inneren Schmerz unterdrückt. Er verbirgt sich vor den Leuten ob der schlimmen Nachricht, die er erhalten hat: Soll er sie trotz der Schande behalten oder im Staub verscharren? Wahrlich, übel ist, wie sie urteilen!" (60:59-60)