Den Deutschen wird ja nachgesagt, dass sie ihre Gefühle nicht so offenkundig
zeigen, wie Angehörige anderer Nationen. Als ich im Regal eine Ausgabe von
Roland Barthes „Fragmente einer Sprache der Liebe“ entdeckte, wurde mir nach wenigen Seiten schummerig
zumute. Ich spürte ein leichtes Unbehagen. Irgendwie scheint es mir, dass wir immer
weniger mit der Sprache der Liebe anfangen können. Wo ist unser heiß geliebter Goethe
hin? Und wo sind Hölderlin und Rainer-Maria Rilke verborgen? All die Liebesbekundungen,
der Herzschmerz, die obsessiven Gefühlsausbrüchen, die wir ernst nehmen wollen.
Sie sind weg. Das Land der Dichter und Denker scheint immer weniger Goethes zu
kennen und immer mehr Charlies. Gefühle werden zwar artikuliert und inszeniert,
aber erst derjenige, der sich über die Gefühle anderer lustig machen kann, ist ein
Held? Man kann sich zwar einen sensiblen, leidenschaftlichen, intellektuellen
Künstler in einer Buchhandlung oder in einem Literaturcafe vorstellen, aber
nicht in der Mitte der Gesellschaft, nicht als Vorbild für die Masse. Also so
jemanden, auf den das ganze Land stolz sein kann, der nicht als bloßer Showmaster
gilt, sondern als deutsche Identifikationsfigur, als Volksheld. Der Glaube an „Das
Wahre, Schöne, Gute“, der heute noch als Leitspruch über der Alten Oper in
Frankfurt eingemeißelt ist, gilt als Denkmal vergangener Zeiten. Das gibt es
nicht mehr. Gefühle sollen vernünftig klingen. Das romantischste, was ich heute
gelesen habe, kam von einem britischen Jungen. Auf die Frage einer
Mitschülerin, ob er sie möge, antwortete er:
"Ich weiß nicht. Ich kenne mich selber noch nicht. Außerdem stehe ich zu Hause gerade auch ziemlich unter Stress, deshalb kann ich es wirklich nicht sagen. P.S.: Man kennt sich selber nicht, bis man 18 ist."
So viel Selbstkritik, so viel Ehrlichkeit: Das könnte ein Deutscher gewesen sein! Aber an solchen Tagen wie diesen, wo es draußen schneit und mir mit einer heißen Tasse Schokolade ganz warm ums Herz wird, frage ich mich ob wir Deutschen wirklich so gefühlskalt und abgeklärt sind, wie ich fürchte. Vielleicht kann Barthes mir ja die Antwort geben. Zumindest schneit es auch noch hier bei uns in Deutschland. Das ist doch mal was ;-).
"Ich weiß nicht. Ich kenne mich selber noch nicht. Außerdem stehe ich zu Hause gerade auch ziemlich unter Stress, deshalb kann ich es wirklich nicht sagen. P.S.: Man kennt sich selber nicht, bis man 18 ist."
So viel Selbstkritik, so viel Ehrlichkeit: Das könnte ein Deutscher gewesen sein! Aber an solchen Tagen wie diesen, wo es draußen schneit und mir mit einer heißen Tasse Schokolade ganz warm ums Herz wird, frage ich mich ob wir Deutschen wirklich so gefühlskalt und abgeklärt sind, wie ich fürchte. Vielleicht kann Barthes mir ja die Antwort geben. Zumindest schneit es auch noch hier bei uns in Deutschland. Das ist doch mal was ;-).
Ein wunderschöner Text, der zum Nachdenken anregt!
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