Samstag, 18. Mai 2013

Through the mirror - Das letzte Geheimnis zwischen den Menschen

Die Faszination, die von einem Spiegel ausgeht, wird unterschätzt. Beobachtet man einmal den gemeinen und, was auch immer das sein mag, ungemeinen Menschen und seinen Drang sich selbst zu inspizieren, ist es so, als würde die Zeit still stehen. Der sich abmühende Blick schwelgt, egal ob jener in Eile ist oder in Trance, sein Gönner sich modisch oder unmodisch  kleidet und eitel oder demütig ist.  Die Symbolik dahinter ist die Symbolik der (An-)Erkennung des Anderen, wir sehen uns selbst so, wie wir meinen von anderen gesehen zu werden und fragen dabei, ob uns jene erkennen, wie wir meinen und selbst erkennen zu würden. Die Frage hierbei ist nicht wer ich bin, sondern wer ich sein kann. Zeit und Raum sind überfüllt von solchen Fragen. Fragen des Hinterfragens von Selbst-und Fremdwahrnehmung, Subjekt- und Objektwerdung. Wir steigen ein in Verhaltensmuster, verlieren uns in Rollen, sind ganz wir selbst und wissen selbst nicht so genau, wie wir eigentlich wirken. 

Das Wirkungspotenzial unseres Selbst ist für das Selbst ein Rätsel, für den Anderen ist es ein oft unbewusstes Verarbeiten von Reizen, nichts anderes als Konsum. Ja, der Mensch konsumiert sich andauernd selbst. Er kategorisiert und ordnet, die Stimme, das Aussehen, die Perspektive: Den Menschen. Dieses Konsumieren des Menschen, des Bildes oder eben jenes Urteils, das wir uns bilden oder das für uns gebildet wird, scheint erst durchbrochen, wenn wir in den Spiegel schauen. Wir zweifeln, sind skeptisch, wir reflektieren.[1] Doch der Spiegel des Anderen bleibt uns fern, es ist unser Bild, das wir auseinandernehmen, und nach Maßstäben prüfen, die möglicherweise absurd sind und sich jeder Legitimation entziehen. Aber immerhin hören wir auf zu konsumieren. Wir halten inne vor dem Spiegel. Der Blick in den Spiegel ist immer still und einsam. Er ist oft ein wenig bedrohlich, sich selbst ungenügsam.

Das Konsumieren des Anderen wird jedoch erst durchbrochen, wenn wir uns in seine Welt hineingeben. Wenn dieser Andere unsere Kategorien ins Schwanken geraten lässt und uns überrascht. Wenn Name und Bild nicht zusammen zu passen scheinen, Kleidung und Verhalten sich in die Quere kommen, dann inspizieren wir auch das Selbst das Anderen, indem wir es nicht bloß konsumieren, sondern  auflösen und damit kennen lernen. Aber auch da wird es eine Grenze geben, die wir nicht durchbrechen können. Bis zu einem gewissen Grade bleiben wir uns auf ewig fremd. Das ist und bleibt das letzte Geheimnis zwischen den Menschen.





[1] Ähnlich verhält es sich mit der Symbolik der Verschleierung. Der Schleier reflektiere und transzendiere nach David E. Wellbery die „Grenze zwischen Beobachtung und Beobachtetem, Meta-und Objektsprache.“ (Vgl. Endres/ Wittmann, Wolf: Ikonologie des Zwischenraums, München 2005, S.59.) Ausgehend von dieser Definition ist die Verschleierung eine Art Metapher für einen Spiegel. Ähnlich deutet Endres den Schleier, demnach dieser als Spiegel das falsche Bewusstsein dessen zurück werfe, der seinen Blick auf ihn richte.(Vgl. ebd. Endres/ Wittmann, Wolf, S.3.) Der Schleier stiftet Identität, indem er die Identität des Beobachters herausfordert und indem er zur Reflexion des Selbst anregt.


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