Montag, 24. Juni 2013

Adieu, adulte Theologie! - Zum Verhältnis von Text, Subjekt und Interpretation im islamwissenschaftlichen Kontext

Hans-Thomas Tillschneider verhöhnt in seinem Essay „Fragwürdiges Plädoyer für eine infantile Theologie" (erschienen am 07.Juni 2013 in der FAZ), Mouhanad Khorchides Werk „Islam ist Barmherzigkeit“ als einfältig und intellektuell bescheiden, dass man sich wundert den Autor auf einem theologischen Lehrstuhl zu sehen.“ Dabei zeugt gerade dies von einem verklärten Theologie- und Selbstverständnis. Eine Entgegnung.

Mag sein, dass Khorchides Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ für den abgebrühten Leser ein wenig weichgespült daherkommt. Aber mag auch sein, dass Tillschneider das Wort "Barmherzigkeit" übersehen hat, als er begann Khorchides Werk derartig zu verreißen, dass der gemeine Leser sich insgeheim wünschte, er möge doch ein wenig Barmherzigkeit walten lassen über den netten Khorchide. Gibt es eine allumfassende, mess- und fassbare islamische Theologie, Lehre von Gott? Tillschneiders Essay „Fragwürdiges Plädoyer für eine infantile Theologie“ zeugt nicht nur von einer dreist anmaßenden Überheblichkeit; es ist schlicht und einfach streckenweise unwissenschaftlich und in sich paradox. Als renommierter Islamwissenschaftler hätte er wissen müssen, dass Theologie und Wissenschaft gleichermaßen nie dem Anspruch an Objektivität, noch dem Anspruch an Autonomie gerecht werden können. Dennoch kritisiert er kläglich, Khorchide definiere „den  Islam einfach nach seinem Geschmack um“, obwohl er doch bitte „mit der islamischen Theologie ringen“ müsste.

Die Hervorhebung eines Gottesattributes impliziert nicht die Verleugnung eines anderen
Um es noch einmal klarzustellen: Khorchide spricht nicht von der islamischen Theologie schlechthin (was auch immer das sein soll), sondern von einer Theologie einer spezifischen Denkschule. Im Frühislam standen sich die Verfechter der „Theologie der Gerechtigkeit/Vernunft“ (Muʿtaziliten) und die der „Theologie der Allmacht/Vorherbestimmung“ (Ašʿarīten) gegenüber. In der Moderne haben sich eine „Feministische Theologie“ und eine „Theologie der Neo-Traditionalisten“ herausgebildet. Der Mensch denkt in Kategorien und leitet aus diesen Kategorien eine logische Argumentation und Plausibilität der Interpretation des Textes, ganz gleich ob religiöser Natur oder nicht, ab. Wie sollte es auch anders sein? 
Das bedeutet indes nicht, dass unterschiedliche Theologien einer Religion absolut konträr zueinander stehen. Vielmehr betonen sie bestimmte Kategorien stärker als andere und leiten aus diesen ihre Interpretationsansätze ab. Wer die Entwicklung und Entstehung islamischer Denkschulen beobachtet hat, erkennt nämlich schnell, dass ihre Begründer im Ursprung dieselbe Lehre vertraten. Allein die permanente Hervorhebung eines bestimmten Attribut Gottes in religiösen öffentlichen Diskussionen begünstigte Abgrenzungsmechanismen, die zur Entstehung eigenständiger Denkschulen führten. Eine Theologie der „Barmherzigkeit“ wird somit gezwungenermaßen die „Barmherzigkeit“ Gottes als oberstes Prinzip zur Interpretation der islamischen Lehre anführen. Damit wird nicht generiert, dass Khorchide keine Denkarbeit leisten muss oder wenig mit dem koranischen Text zu ringen hat. Sondern, dass er die Barmherzigkeit Gottes mit dem zu interpretierenden Text zu vereinbaren versucht. Ob dies möglich ist, kann im konkreten Einzelfall geklärt werden. Aber hinsichtlich der theoretischen Mehrdimensionalität eines Textes, ist es zumindest relativ wahrscheinlich. Anzunehmen, es gebe so etwas wie eine adulte, autonome und intellektuellere Theologie, ist naiv, und damit, wie kann es anders sein, infantil. 

Biographien werden erfolgreich als Subjektwerdung der Theorie vermarktet
Der Begründer einer theologischen Denkschule ist nie autonom, daraus schlussfolgernd ist auch die schriftlich verfasste Theologie nie vom Autor zu trennen. Der Versuch den Autor vom Text zu trennen, muss scheitern. Die Strukturalisten unter den Literaturwissenschaftlern haben das Scheitern eines solchen Versuches bereits infolge Roland Barthes Theorie vom „Tod des Autors“ (1967) miterleben können. Um das Potenzial des Textgehaltes und die Autonomie des Textes zu wahren, blendeten sie in der Exegese den individuellen biographischen Kontext des Autors aus - mit dem Ergebnis, dass sich die Idee in der Praxis nicht durchsetzen konnte. Denn der Rezipient möchte immer wissen, wer sich hinter dem Text verbirgt.
Wie dieses sozial-kommunikative Verhalten fruchtet, können wir anhand der Erfolgsgeschichten von Necla Kelek und Seyran Ates sehen. Es ist unglaublich: Obwohl sie beide die neusten Erkenntnisse des islamwissenschaftlichen und soziologischen akademischen Diskurses übergehen, werden sie als Wissenschaftlerinnen ernst genommen. Sie wettern (immer noch) unsäglich gegen das Kopftuch "als Symbol der Unterdrückung[1]", gegen die angebliche Islamisierung des Westens und werden an Universitäten und zu großräumig-geplanten Veranstaltungen geladen. Der subjektiv biographische Hintergrund der Autoren und damit die Namen der Autoren selbst werden dabei zur Verkörperung der verkündeten „wissenschaftlichen“ Theorien. Als „Muslimas“ sind sie Subjektwerdung der Theorie und damit die Rechnung gänzlich aufgeht, bedienen jene sich auch der Diversität und Beliebigkeit der Textdeutung (hier des Korans und der Ahadith, Aussprüche des Propheten Muhammad). Wie leicht selbst ein noch so schwacher Interpretationsansatz an Einfluss gewinnen kann, beweist beispielsweise die Anti-Wissenschaftlichkeit in der Genderforschung, wie der jüngst erschienene Artikel von Martenstein in der Zeit veranschaulicht[2]

Was bleibt ist die Idee der Zurücknahme des Subjektes als spirituelle Herausforderung der Koraninterpretation
Eben jenes Phänomen der beliebigen Textinterpretation wird im Koran selbst problematisiert: "Er ist es, Der das Buch zu dir herabgesandt hat; darin sind Verse von entscheidender Bedeutung – sie sind die Grundlage des Buches – und andere, die unterschiedlich gedeutet werden können. Die aber, in deren Herzen Verderbnis wohnt, suchen gerade jene heraus, die verschiedener Deutung fähig sind, im Trachten nach Zwiespalt und im Trachten nach Deutelei. Doch keiner kennt ihre Deutung außer Allah und diejenigen, die fest gegründet im Wissen sind, die sprechen: „Wir glauben daran; das Ganze ist von unserem Herrn“ – und niemand beherzigt es, außer den mit Verständnis Begabten."(3:8)
Als koranischer Lösungsansatz für eine (bestmögliche Annäherung an eine) umfassende Theologie gilt in Konklusion die Zurücknahme der subjektiven Identität und Vernichtung eigener Machtinteressen durch eine gelebte Spiritualität, sowie die beständige Reflexion der koranischen Lehre in seiner Ganzheitlichkeit. Jene Theologie fordert eine Symbiose von intellektueller und spiritueller Auseinandersetzung mit einem Text. Das ist freilich nicht leicht und bedarf, theologisch-heilsgeschichtlich argumentiert, einer besonderen göttlichen Rechtleitung. 
Abgesehen davon, ist einiges von dem was Tillschneider theoretisiert, eindeutig falsch. So schreibt er: „Bis zu Khorchide nämlich war der Islam, abgesehen von antinomistischen Strömungen innerhalb der Mystik, eine Gesetzesreligion, die den Gläubigen eine detailreich ausgearbeitete Lebensordnung vorgeschrieben hat.“
Der Islam war vielleicht für Laien eine Gesetzesreligion. WissenschaftlerInnen wussten und wissen auch derzeit, dass der Koran selbst prozentual gesehen nur 3-4% rechtliche Vorschriften enthält. Und dass der Koran mehr Potenzial zur Betonung der Mystik bietet, als so manchem wohlgefällig ist. Angesichts dieser Tatsache, ist mir eine infantile Theologie lieber. Kinder sind immerhin ehrlich. 
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[1] Vgl. http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article116111788/Legt-das-Kopftuch-ab.html und http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=9177&ausgabe=200603 und
[2] Vgl. http://www.zeit.de/2013/24/genderforschung-kulturelle-unterschiede

Samstag, 22. Juni 2013

Hände

Du suchtest deine Hände
Die in Bewegung
Suchtest eine Antwort
Auf ein Gefühl
Das in Bewegung
Deine Hände haben Wände
Deine Wege sind versperrt
Dein Haus erreicht das Ende
Jener Festung, die verwehrt

Doch nicht du hast bewegt
Als du dich bewegtest
Nicht du hast gesucht
Als du in dir suchtest
Nicht du hast gesprochen
Als du in dir sprachst

Es ward ausgesprochen
Ein Gruß, reiner, klarer
Als du verstehen wolltest
Ein Gruß, näher, fremder
Als du ihn hören wolltest
Er kennt dein Wirken
Bevor du gewirkt
Kennt dein Sehen
Bevor du gesehen
Kennt dein Werden
Bevor du geworden

Deine Hände haben Wände
Doch sind es nicht deine
Die du begehrst
Deine Wege sind versperrt
Doch sind es nicht deine
Die du erfährst
Dein Haus erreicht das Ende
Doch ist es nicht deines
Das dir gewährt

Was du tust, bist und werdest
Bleibt ein Licht und bleibt ein Schatten
Wenn von Ihm allein dich zehrest
Und bei Ihm allein dich willst lassen
Denn willst du wirklich wahrhaft streben
Verlange nichts und es wird passen
Was du bekommst, wird dir gefallen 
Und was dir bekommt, wird dir gegeben

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Dienstag, 18. Juni 2013

"O die ihr glaubt, antwortet Allah und dem Gesandten, wenn er euch ruft, auf dass er euch Leben gebe, und wisset, dass Allah zwischen einen Menschen und sein Herz tritt, und dass zu Ihm ihr werdet versammelt werden." Der Heilige Quran 8:25

Sonntag, 16. Juni 2013

An den Zeitgeist

Fragst du dich nicht/ Von Zeit zu Zeit/Wohin deine Wege führen/Du schaust dich um/Siehst Fotos von Jetzt/Im 50er Jahre Look/ Monumente/ Gefäße/ Die wir einst fassten/ Geraten/ In Vergessenheit/ Vergangene Ideale/ Herausforderungen einer Zeit/ Was gestern einmal war/Ist morgen immerwährend /Nenn es wie du magst/Vintage des Geistes/Inspiration des Makels/Wir statuieren/ Ein Denkmal/ Bloß/Wenn wir da sind/Wo wir waren/Bleiben wir auch da/Wo wir sind/ Wir bleiben bestehen/ Einzig/ Die Zeit ist es/ Die uns entrinnt


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Samstag, 15. Juni 2013

"Diejenigen, die nicht an die Zeichen Allahs und an die Begegnung mit Ihm glauben – sie sind es, die an Meiner Barmherzigkeit (ver-)zweifeln. Und ihnen wird eine schmerzliche Strafe." Der Heilige Quran 29:24

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Vorerst

Erst verkennen sie dich
Dann erkennen sie dich

Dann erkennen sie dich an 

Dann bekennen sie sich zu dir

Und dann erst lernen sie dich kennen 

 

Mittwoch, 12. Juni 2013

Was wird, wenn wir werden? - Konzepte geistiger De- und Regeneration


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Erste Anzeichen geistiger Degeneration 
Das Fundament der geistig-spirituellen Degeneration wird immer dann gelegt, wenn der Mensch im Zustand seines Fortschreitens anzunehmen beginnt, irgendetwas allein aufgrund seiner eigenen Leistung oder der Leistung anderer erreicht oder verdient zu haben, oder, umgekehrt, nicht weiter voranschreiten könne, da er es nicht verdient oder nicht die Kraft dazu habe. Der erstere Gedanke setzt voraus, dass all jene Menschen, die weniger fortgeschritten sind, dazu unfähig sind oder nicht das Glück hatten sich in jene Richtung zu entwickeln. Die zweitere Logik indes, zeugt von mangelndem Vertrauen in die Barmherzigkeit und Allmacht Gottes, der als Herr der Welten die Menschen unaufhörlich lenkt und begleitet. Natürlich hat der Mensch nichts verdient und es käme ihm auch nicht zu, irgendetwas von Gott zu verlangen. Doch Gott selbst hat dem Menschen versprochen, ihm alles zu geben, was gut für ihn ist, wenn dieser aufrichtig zu Gott betet und Ihm vertraut. So heißt es in einem Prophetenausspruch:„Würdet ihr auf Allah vertrauen, so wie ihr auf Ihn vertrauen solltet, so würde Er euch versorgen, wie Er den Vogel versorgt: er fliegt mit leerem Magen hinaus und kehrt mit vollem zurück.“  (Hadith At-Tirmidh)  

Zwar ist es nur allzu logisch, dass Menschen, die beständig in eine bestimmte Richtung streben, eher dazu neigen, das Ziel jener Richtung zu erreichen; aber letztlich ist es Gott selbst, der sich seinem Diener zeigt, wann er will und wo er will, ohne zu rechnen. Auch ist Er es, der dem Menschen die Kraft gibt sich in eine bestimmte Richtung (weiter-) zu entwickeln. Diese Tatsache zu verkennen, zeugt von der Verkennung des Wesen Gottes, nachdem alle Menschen dazu befähigt und bestimmt sind, Ihm zu begegnen und die höchstmögliche Reinheit zu erlangen. 

Eine universelle Botschaft 
Vergleichen wir den Charakter der Religion; hier des Islams; mit dem Charakter anderer Weltanschauungen, Philosophien und Konzepten, so werden wir erkennen, dass ihr Wert vor allem darin besteht, dass sie keine Sorte von Menschen ausschließt. Die Philosophie als Quelle des (Pseudo-) Intellektualismus, schließt beispielsweise vermeintlich primitiv Denkende und Ungebildete aus. Sie spricht davon, „Perlen nicht vor die Säue“ werfen zu dürfen und sieht sich als Sprachrohr der Privilegierten. Im Hedonismus werden die Asketen und Armen ausgeschlossen, in anderen Lebensentwürfen sind es die Alten, die Kinder, die Kranken oder die vermeintlich Hässlichen, die von unterschiedlichsten Heilsversprechungen isoliert bleiben. Gott liebt alle Menschen gleichermaßen bedingungslos. Das einzige, das der Mensch tun muss um Ihm zu begegnen, ist, an Ihn zu glauben und sich Ihm hinzugeben. Gott selbst sorgt dabei dafür, dass seine universelle Botschaft durch Gesandte und Schriften verbreitet wird. Für diese Epoche hat Gott, nach Ansicht der Anhänger der Ahmadiyya Muslim Jamaat, Hazrat Mirza Ghulam Ahmad als Propheten und Reformer des Islams, Friede sei auf Ihm, gesandt, um den tatsächlichen Zweck der Beziehung zu Gott zu vermitteln: "Allah hat mich gesandt, damit ich die Distanz, die zwischen Ihm und Seinen Geschöpfen entstanden ist, beseitige und Liebe und Aufrichtigkeit etabliere. Dass ich durch das Verkünden der Wahrheit die Kriege zwischen den Religionen beende und den Grundstein für eine Versöhnung lege. Dass ich die religiösen Wahrheiten, die vor dem weltlichen Auge verborgen liegen, enthülle, und die Spiritualität, die unter egoistischen Leidenschaften versunken ist, hervorbringe."(in „Der Vortrag von Lahore“, S. 60)

Wenn der Mensch jedoch beginnt Gott zu verleugnen und zu misstrauen, wird seine Begegnung mit Gott hinausverzögert und seine spirituell-geistige Entwicklung vermieden. Einige Menschen erkennen Gott daher erst in der nächsten Welt; nach einem schmerzvollen Prozess der geistigen Reinigung. Genauso gut kann es aber auch Menschen geben, die, nachdem sie Gott erkannt haben, aus dem eingangs erwähnten Stolz heraus ihren Blick für die Gnade Gottes verlieren. Von der Erkenntnis in die finsterste Dunkelheit zu geraten ist insofern peinvoller, als dass sie dem Sehenden gleicht, der sein Augenlicht verliert. Wer ist bemitleidenswerter? Jener, der schon immer blind war und nichts anderes kennt, oder jener der die Wahrheit bereits gesehen hat und dann umherirrt? 

Die Gefahr des absoluten Relativismus
Ein weiterer Keim für den Beginn der geistig-spirituellen Degeneration des Menschen, liegt in der Relativierung und Überspielung des von Natur aus filigranen, hochsensiblen geistigen menschlichen Wesens. Diese Sensibilität der Seele zu ignorieren, härtet sie nicht ab, sondern lässt sie verkümmern. Beinah selbstverständlich geworden scheinen in der heutigen Gesellschaft ständig wechselnde Partnerschaften, der Konsum von Alkohol- und Drogen und das Zelebrieren des Körpers. Zig Ratgeber beschäftigen sich mit daraus resultierenden modernen psychischen Volkskrankheiten; von  innerer Unruhe oder Zerrissenheit, Antriebslosigkeit, Depressionen ist die Rede. Der Zustand erinnert an ein quengelndes Kind, das aus natürlichen Gründen unzufrieden ist – hungrig, müde, durstig – aber nicht versteht und verstehen will, warum es unzufrieden ist. Die Mutter versucht es zum Schlafen zu bringen, es mit Nahrung zu füttern, doch das trotzige Kind quält sich stundenlang selbst. 

Hinzu kommt, dass weit verbreitete nihilistische Tendenzen in Kino, Musik und Literatur (man denke beispielsweise an den Hollywoodblockbuster "Hangover 3"[1], David Foster Wallaces "Unendlicher Spaß" oder Songs von OK Kid [2]) nicht mehr bedrohlich wirken, sondern als gesellschaftskonform und angesagt gelten. Durch die gepriesene Indifferenz und Relativierung wirkt nichts mehr vertrauenswürdig und da es nichts mehr zu geben scheint, was Bestand haben kann, feiert der Mensch schließlich sich selbst. Auch mit dem Wissen, dass dieses getriebene Selbst „im Angesichts des Todes erbärmlich“ ist [3]. Der Mensch strebt zwar weiter, aber sein Streben nach Selbsterhöhung bleibt ein Leerlauf. Es ist die Anerkennung der Gesellschaft, die wir suchen und die wir eigentlich nicht immer wollen; die Gesellschaft soll etwas kompensieren, das fehlt. Doch wir wissen nicht, was genau es eigentlich ist, das uns fehlt. 


Völlige Hingabe als Befreiung
Doch wie soll man einem Kind erklären, dass es Wasser braucht, wenn es aber Coca Cola haben will? Wenn die Existenz Gottes und die Notwendigkeit der Beziehung zu Gott durch das Gebet als Nahrung für die Seele diskutiert werden, sollte das Gegenüber bereit sein zuzuhören und anfangen neue Fragen zu stellen. Das Gebet ist keine Yoga-Übung, ein bloßes In-sich-kehren zur Erlangung von Ruhe. Für viele Muslime ist das Gebet viel essenzieller. Wie kann es also sein, dass es solche Menschen [4] gibt, die nicht phasenweise, sondern beständig, tief und fest an einen Gott glauben und nicht aufhören Ihm allein zu vertrauen? Die nicht müde werden Ihm zu dienen? Warum lieben diese Menschen Gott aus ganzem Herzen und sind dazu bereit alles Weltliche wegzugeben? Wenn der Glaube an Gott eine bloße Wunschvorstellung ist, Opium fürs Volk, warum folgt aus dem Glauben (es geht hier nicht um politisierte und instrumentalisierte Religiösität) keine Selbstzerstörung? Das Gebet ist mehr: die größtmögliche Öffnung des Geistes, Kommunikation mit Gott. Wer ernsthaft daran interessiert ist, Gott zu begegnen, der wird Ihn finden. Er wird Ihn finden und sich Ihm vollkommen ergeben, weil es das Schönste ist, das der Mensch zu erfahren imstande ist.






[1] Vgl. http://www.welt.de/print/wams/kultur/article116519334/Unsere-Reise-ins-Nichts.html

[2] Vgl. Als Paradebeispiel gilt der Song „Allein, zu zweit, zu dritt“

[3] Vgl. Thomas Bernhard: Meine Preise. Frankfurt 2009, S.83.

[4] Darunter viele sehr gebildete und hochintelligente; Bsp. Dr. Abdus Salam,  Ahmadi-Muslim und Nobelpreisträger

Donnerstag, 6. Juni 2013

Für Nullchecker
Ein Imam geht im Wald spazieren und gerät ins Moor. Er versinkt im Morast und betet zu Allah: "Allah, hilf mir, sonst gehe ich unter." Es kommt ein Spaziergänger, sieht den Imam und will ihm helfen, doch der winkt ab: "Allah wird mir helfen."
Als nächstes kommt ein Wanderer, bietet dem Imam seine Hand um diesen rauszuziehen, aber der winkt wieder ab: "Allah wird mit helfen."
Jetzt kommt ein Jäger daher, will den Imam rausziehen, aber der sagt wiederum: "Allah wird mir helfen." Der Imam versinkt, stirbt und tritt vor Allah. Er fragt Allah: "Warum hast du mir nicht geholfen?" Da antwortet Allah: "Ich habe dir drei verschiedene Helfer geschickt, die du alle ablehntest. Wie oft hätte ich dir noch zur Hilfe kommen sollen, damit du verstehst?" 
;-)
Gewöhnlich leben wir mit einem auf das Minimum reduzierten Teil unseres Wesens, die meisten unserer Fähigkeiten wachen gar nicht auf, weil sie sich in dem Bewußtsein zur Ruhe begeben, daß die Gewohnheit schon weiß, was sie zu tun hat, und ihrer nicht bedarf.
Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit



 

Dienstag, 4. Juni 2013

Leicht


Es ist so leicht ein Bild zu zeichnen. Wir werden gezeichnet, zeichnen uns selbst und malen mit allerlei Farben. Ab und zu kommt es auch vor, dass wir sie unterzeichnen. Alles beginnt mit einem ersten Umriss; mit dem Versuch einer Annäherung an eine Idee. An einen Zustand der Welt. Sie hörte es einst singen Look at me/ Autogramme vis à vis/ Gegenüber einer Welt/ Deren Umriss uns gefällt.[1] Mit der Realität hat das nicht zwingend etwas zu tun; eher vielleicht mit einer Fotomontage der Imagination. Und während sie, mehr oder weniger unsichtbar, den Straßenkünstler dabei beobachtete, wie er, auf ein Foto blickend, darum bemüht war seine Sicht des Fotos sichtbar zu machen, klopfte ihr jemand auf die Schulter. Das war ein langsamer Satz, doch sie erschrak.
Du beobachtest jemanden, der selbst jemanden beobachtet und wirst dabei beobachtet. Obskur, aber nichts anderes als die realste Realität.
Sie drehte sich um. Dort stand eine verschleierte Frau, die ihr einen eindringlichen und entschiedenen Blick zuwarf. Da war nichts anderes, nur dieser Blick. 

Wir kennen uns. Sie haben ein Bild von mir gezeichnet. Du weißt es. Du kennst dieses Bild und du kennst mich. Und du kennst die Wahrheit. Sieh sie dir an.

Der erste Mensch, der den Islam annahm, war eine Frau, zeigte sie ihr als erstes. Doch da war mehr.
Der erste Mensch, der umgebracht wurde, nur weil er an den Gesandten Gottes, Muhammad (saw), und an einen einzigen, gerechten Gott glaubte, war eine Frau.

Frauen gehörten zu jenen Gläubigen, die nach dreizehnjähriger Verfolgung und nach der Auswanderung aus der Heimat, Standfestigkeit und Tapferkeit bewiesen; manche, [2] indem sie in den Krieg gezogen ihre körperliche Schwäche überwindeten, um mit ihren eigenen Kräften die Minderheit der Gläubigen zu beschützen.

Da waren Frauen, die als Gelehrtinnen galten, die enormes Wissen an die nächsten Generationen vermittelten; das Fundament des Glaubens mitbildeten.

Heute solltest du den Ǧihād der Feder [3] antreten; du solltest mit der Schrift zeigen, was Bilder nicht mehr zeigen können. Die Manifestation Seiner Zeichen.Und du solltest beten.
Lass es nicht zu. Lasse sie nicht weiter zeichnen.
Zeige dich.

Sie hatte verstanden, denn dieser Blick war der Ihrige.


[1] Song von der Band Tocotronic („Hi Freaks“)
[2] Man denke an Umme Ammaarah oder die Kriegerin Khola
[3] Ǧihād steht hier für eine geistige und vernunftgemäße Anstrengung 

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Montag, 3. Juni 2013












 
Gebet des Verheißenen Messias, Hazrat Mirza Ghulam Ahmad, Friede sei auf Ihm.
"Wenn ihr versucht, Gottes Wohltaten aufzuzählen, werdet ihr nicht imstande sein, sie zu berechnen.“ 
Der Heilige Koran, 14:35

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